In diesem Podcast beleuchte ich Governance rund um das Thema Berufskrankheit. Grundlage ist der Artikel von Daniel Drepper aus der SZ vom 23.12.2022. Anlässlich der zahlreichen Long-Covid Fälle beleuchtet er verschiedene Institutionen, die darüber entscheiden, ob eine beantragte Berufskrankheit letztlich als solche anerkannt wird.
Als wäre es ein IKS innerhalb einer einzelnen Organisation, betrachte ich bestehende Interessenkonflikte und Lücken in der Governance über die verschiedenen Verbände und Institutionen hinweg.
Mein Fazit lautet:
Wir dürfen in unseren Prüfungen nicht nur einzelne Komponenten betrachten. Wie bei diesem Thema zu sehen ist, sollten wir immer auch die Zusammenhänge im Großen Ganzen betrachten, um mögliche Lücken an den Schnittstellen zwischen den Institutionen erkennen zu können.
Es ist extrem schade, dass Ermittler, Prüfer und Interne Revisoren innerhalb der einzelnen Teilbereiche kaum etwas tun können, um die Lücken im Zusammenspiel aller Komponenten der Governance zu beheben.
Wenn es Ihnen im Rahmen Ihrer Aufgaben möglich sein sollte, an dieser Situation etwas zu ändern, dann bitte ich Sie, etwas dagegen zu unternehmen. Versuchen Sie, bestehende Interessenkonflikte zu reduzieren und die Governance insgesamt zu stärken.
Vielen Dank!
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Zuhören und erfolgreiche Prüfungsprozesse!
Sehr geehrte Frau Puhani,
Vielen Dank für Ihre aktuelle Folge Ihres Podcasts.
Ich ziehe meinen Hut vor Ihrer ziemlich treffenden Analyse aufgrund des einen Zeitungsartikels.
Leider treffen Ihre Rückschlüsse nicht nur Arbeitnehmer, sondern zusätzlich noch alle im Ehrenamt Unfallverletzten. Dies ist mein leidhafter Zugang zu Ihrem Podcast-Thema.
Alle Punkte die Sie aufführen sind absolut richtig, allerdings ist die Realität noch etwas schlimmer.
Speziell das Thema BGs und DGUV ist ein sehr gutes Beispiel für Lobbyarbeit und Interessenkonflikte. Herr Prof. Dr. Ludwig hat hier mal versucht etwas Transparenz zu erzeugen: https://www.anstageslicht.de/berufskrankheit-berufsgenossenschaft-gutachter/gesetzliche-unfallversicherung/monopol-dguv/
Für Ihre Punkte „Prüfung anhand der Verwaltungsakte“ und Nachvollziehbarkeit gibt es bereits euch höchstrichterliche Entscheidungen.
Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 06. Juni 1983, 2 BvR 244/83, 2 BvR 310/83 (Wahrheitsgetreue und vollständige Aktenführung)
Bundesverwaltungsgericht: Beschluss vom 16. März 1988 – 1 B 153/87 (Nachvollziehbarkeit anhand der Aktenführung)
(https://justiz-und-recht.de/akten-in-der-verwaltung/)
Mit Blick auf die BGs bzw. Konkret die VBG gibt es auch dieses Urteil des SG Gießen (Gerichtsbescheid vom 05.11.2021 – S 20 AL 70/21) mit der folgenden Aussage:
Die Beklagte führt gerichtsbekannt ein erprobtes und in Fachkreisen mehrfach transparent vorgestelltes System verlässlicher elektronischer Aktenführung. Zwar steht außer Frage, dass die gerichtsbekannt nicht statische, sondern dynamische Vergabe von Ordnungsnummern für die einzelnen elektronischen Dokumente im Zuge jeder einzelnen Übersendung ein Einfallstor für missbräuchliche Unterdrückung einzelner Aktenteile darstellt, weil die Gerichte die Vollständigkeit nicht anhand der Lückenlosigkeit solcher Nummern überprüfen können. Bislang ist aber kein Fall bekannt geworden, in dem entweder Aktenteile bei der Beklagten aufgrund von Fehlern ihrer Fachanwendung versehentlich untergegangen sind noch solche, in denen Bedienstete manuell Teile unterdrückt haben. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die Beklagte an Recht und Gesetz gebunden. Anlass, an ihrer Rechtstreue zu zweifeln und die systematische Vernichtung oder Unterdrückung von Aktenteilen oder solche im vorliegenden Einzelfall durch Bedienstete der Beklagten anzunehmen, hätte das Gericht allenfalls, sofern der Kläger substantiierte Anhaltspunkte hierzu vorträgt (siehe hierzu auch OVG Münster, Beschl. v. 17.12.2018 – 1 A 203/17). Dies allerdings ist nicht erfolgt.
In meinem Fall, ich habe meine Verwaltungsakte mehrfach angefordert und auch erhalten, wird deutlich, dass:
– Mit jedem Ausdruck der Verwaltungsakte werden die Seitenzahlen neu, beginnend bei 1, vergeben und durchnummeriert.
– Die Entnahme / das Vergessen von Aktenteilen bei der Ausgabe kommt vor. Seiten fehlen, die Seitenzahlen fehlen natürlich nicht.
– Das nachträgliche hinzufügen von Seiten / Vorsortieren ist möglich und wird auch gemacht.
Eine „dynamische Vergabe von Ordnungsnummern“ ist meines Erachtens, sofern kein anderes Ordnungsmerkmal (Paginierung) vorhanden ist, eine gezielte um nicht zu sagen organisierte Manipulation.
Dies führt zu folgender kuriosen Situation: die Berufsgenossenschaft kann nach belieben / auch willkürlich entscheiden.
Im Falle einer Prüfung ist die BG in der Lage beliebige Unterlagen nachträglich vor die dokumentierte Entscheidung vorsortieren, sodass die (beliebige und willkürliche) Entscheidung nachvollziehbar ist.
Dies erfolgt i.d.R. Vor Gericht / Sozialgericht.
M.E. Wie das mit dem Recht auf ein faires Verfahren nach der EMRK (europäischen Menschenrechtskonvention) vereinbar ist, ist mir unverständlich.
Auch hier wird wieder das Thema Funktionstrennung und Interessenkonflikte relevant, da sowohl Berufsgenossenschaften und Sozialgerichte dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstehen.
Das BMI hat bereits 2013 in seinem Minikommentar die Anforderungen an die elektronische Aktenführung beschrieben (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/moderne-verwaltung/e-government-gesetz-minikommentar.pdf;jsessionid=5303D648D7FA3E065BBF2454D91A45C2.2_cid322?__blob=publicationFile&v=3). Leider ist das ein anderes Ministerium, diese Vorgaben haben keine Wirksamkeit im BMAS bzw. Darunter.
Sie sprachen in Ihrem Beitrag an, dass seitens der einzelnen LoD hier Mängel nicht erkannt bzw. Gesehen werden wollten. Was auch immer hierfür der Grund sein mag, festzustellen bleibt jedenfalls „Hier passt etwas nicht.“
Allein der Punkt, dass bei Ärzten und Pflegekräften Covid als Berufskrankheit unkompliziert anerkannt wurde / wird und bei allen anderen nicht.
M.E. Wird alleine hier schon der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt. Für alle müssen die gleichen Spielregeln gelten.
Eine ganz spannende Rolle spielt m.E. Hier der wissenschaftliche Dienst des Bundestages. M.E. Keine bekannte Quelle für Fake News oder unqualifizierte Veröffentlichungen.
Dieser hat in seiner Veröffentlichung zur „Strafbarkeit krimineller Vereinigungen“ (https://www.bundestag.de/resource/blob/921934/dafd45dc765aa16f6fab1ef4f5d45bb6/Strafbarkeit-krimineller-Vereinigungen-data.pdf) diese m.M.n. bemerkenswerte Äußerung getroffen:
Gemäß § 129 StGB wird wegen der Bildung krimineller Vereinigungen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereini- gung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerich- tet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Die Vorschrift kann nicht nur für die klassische organisierte Kriminalität Relevanz erlangen, sondern auch im politischen Kontext bedeutsam werden, wenn Personen sich zusammenschließen, um ihre Überzeugungen mittels Straftaten zu verbreiten oder durchzusetzen.
Diese Ausführung zielte vermutlich auf Aktivitäten von Reichsbürgern oder anderen weniger staatstreuen Gruppierungen. Steht dort aber nicht so.
Interessant wird in diesem Kontext nochmal, dass die Bediensteten von BGs und Gerichten Staatsbedienstete / Beamte sind.
Für diese gilt eine sog. Treuepflicht, d.h. Sie sind an Recht und Gesetz gebunden. D.h. Sie müssen das Umsetzen, was im Gesetz steht / von Gerichten entschieden wurde.
Eigentlich eine ganz einfache Sache. Wie wir aber sehen (dynamische Ordnungsnummern, Entnahme von Unterlagen, nachträgliches Hinzufügen) werden die Entscheidungen von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht nicht eingehalten. Es mangelt an der Treuepflicht.
Genau hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil gesprochen:
BVerwG 2 A 7.21, Urteil vom 02. Dezember 2021 | Bundesverwaltungsgericht
bverwg.de
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26Da nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG das gesamte Verhalten des Beamten erfasst ist, ist die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten wegen der Dienstbezogenheit stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist. Dementsprechend kommt es auf die besonderen Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen nicht an (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1981 – 1 D 50.80 – BVerwGE 73, 263 <284>). Unerheblich ist auch, ob die Überzeugung des Beklagten Einfluss auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten hatte und dass es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist.
27aa) Beamte, die zum Staat in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, die für diesen Anordnungen treffen können und damit dessen Machtstellung durchsetzen, müssen sich zu der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen und für sie einstehen. Die Beamten müssen sich nicht die Ziele oder Maxime der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen machen; sie müssen jedoch die verfassungsmäßige Ordnung als schützenswert annehmen und aktiv für sie eintreten. Im Staatsdienst können nicht solche Personen tätig werden, die die Grundordnung des Grundgesetzes ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 – 2 BvF 2/58 – BVerfGE 9, 268 <282>, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 <346> und Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 2111/94 u.a. – BVerfGE 96, 171 <181>; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 – BVerwGE 160, 370 Rn. 18).
In der Summe kann ich mich Ihrem Aufruf an die Revisoren oder andere Prüfer bei den beteiligten Institutionen nur Anschließen. Mit Blick auf die Veröffentlichung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages habe ich eine ganz leise Hoffnung, dass die Prüfeinheiten genug Unabhängigkeit und Rückrad haben, diese Mängel zu adressieren. Da Organisationsverschulden durch die Leitungen der beteiligten Institutionen (vgl. Siemens/Neubürger-Urteil) aus mit nicht bekannten Gründen nicht anwendbar zu sein scheint, hoffe ich auf andere regulierende Einflüsse.
Sie haben ebenfalls absolut korrekt erkannt, dass als Unfallopfer / Unfallverletzter, hat man andere Sachen zu tun, wie sich mit derartigen Behördenirrsinn auseinander zu setzen. Ebenfalls haben Sie korrekt erfasst, dass man als Unfallopfer auf sich allein gestellt ist. (K)Ein Anwalt wagt sich an dieses Thema nicht ran.
Zugegeben, ich habe dafür auch Verständnis. Wer sägt sich schon gerne den Ast ab, auf dem er / sie sitzt. Auch morgen wollen Brötchen verdient werden.
Wenn alle Verfahren vor dem Sozialgericht mit Verweis auf eine manipulierte bzw. Manipulierbare Verwaltungsakte und 444 der Zivilprozessordnung beendet wären, könnten Anwälte nichts mehr abrechnen.
§ 444
Folgen der Beseitigung einer Urkunde
Ist eine Urkunde von einer Partei in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden.
Wie dem auch immer nun in diesem Kontext sei. Ein Grundproblem, dass Sie ebenfalls angesprochen haben ist m.E. Wer denn die Aufsicht über die Gerichte macht?
D.h. Wer oder welche Stelle prüft, ob die Richter denn auch geltendes Recht und geltende Gesetze anwenden? Und welche Folgen sind bei Zuwiderhandlungen abzuleiten. Für das „einfache Volk“ der Beamten scheint dies ja geklärt, aber wie sieht es denn mit der fachlichen Arbeit der Richter aus? … das ist ein anderes Thema.
Nochmals herzlichen Dank für Ihren tollen Beitrag und das Sie das Thema samt Appel etwas in die Öffentlichkeit gebracht haben.
Mit freundlichen Grüßen,